Prozesskostenhilfe

Prozesskostenhilfe muss auch für Mehrvergleich bezahlt werden - ein Callcenter-Mitarbeiter gewinnt gegen die Hamburger Arbeitsgerichte.

Ein Hamburger Callcenter-Mitarbeiter machte beim Arbeitsgericht Vergütungsansprüche gegen seinen Arbeitgeber geltend. Es fehlte die Berücksichtigung von Umsatzprovisionen und Sondervergütungen bei Urlaub, Arbeitsunfähigkeit, Krankheit und an Feiertagen. Damit er sich einen Anwalt leisten konnte, hat das Arbeitsgericht ihm Prozesskostenhilfe zugesprochen.

Im Verhandlungstermin beim Arbeitsgericht schlossen der Mitarbeiter und sein Arbeitgeber einen Vergleich. Sie einigten sich über die Höhe der ausstehenden Vergütungszahlungen. Darüber hinaus einigten sie sich auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Zahlung einer weiteren Vergütung und einer Abfindung sowie Ausstellung eines Zeugnisses.

Der Arbeitnehmer wollte vom Gericht Prozesskostenhilfe auch für die Punkte des Vergleichs, die zuvor nicht eingeklagt worden waren, den so genannten Mehrvergleich.

Dadurch fielen höhere Kosten an. Die vorher schon gewährte Prozesskostenhilfe bezog sich darauf nicht. Das Arbeitsgericht und in zweiter Instanz ebenfalls das Landesarbeitsgericht Hamburg haben die Gewährung von Prozesskostenhilfe für den Mehrvergleich abgelehnt. Der Mitarbeiter sollte diese Kosten trotz seiner Bedürftigkeit selbst zahlen. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe sei erst nach Abschluss des Vergleichs und Beendigung der Gerichtsinstanz gestellt worden.

Nach Abschluss der Instanz könne die Prozesskostenhilfe nicht mehr einer beabsichtigten Rechtsverfolgung dienen. Denn die Prozesskostenhilfe diene der Ermöglichung der Rechtsverfolgung und nicht der nachträglichen Sicherung anwaltlicher Gebührenansprüche. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe hätte vor dem Vergleichsschluss gestellt werden müssen, urteilten die Hamburger Gerichte in Übereinstimmung mit früheren Entscheidungen anderer Gerichte.

Das wollte der Arbeitnehmer nicht akzeptieren. Er ging in die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht (BAG), die dritte Instanz. Sein Rechtsanwalt argumentierte, dass vor dem Vergleichsschluss noch nicht feststehe, ob ein Vergleichsmehrwert anfalle. Das könne man erst nach einem Vergleichsschluss sagen. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hierfür sei daher auch erst nach dem Vergleichsabschluss möglich. Der Prozess sei vorher insoweit nicht beendet. Andernfalls könne der Mitarbeiter nie Prozesskostenhilfe für den Mehrvergleich erhalten. Vor Vergleichsabschluss sei dieser prozessrechtlich noch nicht vorhanden, nach Vergleichsabschluss sei die Gerichtsinstanz schon wieder beendet.

Das Bundesarbeitsgericht fand die Begründung richtig und hat dem Mitarbeiter in der dritten Instanz einen Anspruch auf Zahlung von Prozesskostenhilfe auch für den Mehrvergleich zugesprochen.

Gerade vor den Arbeitsgerichten kommt es sehr oft zu Mehrvergleichen, das heißt zu Regelungen, die über die eingeklagten Forderungen hinausgehen. Die eingeklagten Forderungen stellen häufig nur die Spitze des Eisbergs dar. Es ist eine Gesamtüberprüfung des Arbeitsverhältnisses notwendig. Mit der Entscheidung des BAG wurde die Lage für bedürftige Parteien in Gerichtsverfahren erheblich verbessert (Beschluss vom 16. Februar 2012, Aktenzeichen: 3 AZB 34/11). Sie hat Bedeutung auch für alle weiteren Gerichtszweige.

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