Geltendmachung eines Pflichtteils

In gemeinschaftlichen Testamenten von Eheleuten setzen sich diese häufig gegenseitig als Erben ein und schließen die Kinder von der Erbfolge aus.

Der Bundesfinanzhof (BFH) beurteilte einen Fall, in dem der Vater im Jahre 2003 verstarb und aufgrund eines Berliner Testamentes von der Ehefrau allein beerbt wurde. Die Erbschaftssteuer war für diesen Erwerb von Todes wegen nicht festzusetzen, weil der Freibetrag der Mutter gemäß der §§ 16 und 17 des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes (ErbStG) nicht überschritten wurde. Als die Mutter im Jahr 2004 verstarb setzte das Finanzamt die Erbschaftssteuer gegen die Tochter mit Bescheid vom 25. Februar 2005 fest, ohne den der Tochter wegen der Enterbung durch den Vater zustehenden Pflichtteilsanspruch als Nachlassverbindlichkeit abzuziehen.

Die Tochter teilte dem Finanzamt mit, dass sie ihren Pflichtteil am Erbe des Vaters geltend mache. Sie sei durch das Testament ihrer Eltern von der Erbfolge nach dem Vater ausgeschlossen worden und der Pflichtteilsanspruch sei noch nicht verjährt. Auch dann wurde die Einspruchsentscheidung vom Finanzamt nicht geändert. Selbst das Finanzgericht wies die Klage mit der Begründung ab, der sich auf 70.536 Euro belaufende Pflichtteilsanspruch der Klägerin sei nicht als Nachlassverbindlichkeit abziehbar.

Das Finanzgericht hatte zu Unrecht angenommen, dass der Pflichtteilsanspruch der klagenden Tochter nicht als Nachlassverbindlichkeit abziehbar sei.

Nach dem ErbStG gehören Verbindlichkeiten aus geltend gemachten Pflichtteilen zu abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten. Damit übereinstimmend gilt ein Pflichtteilsanspruch erst dann als Erwerb von Todes wegen, wenn er geltend gemacht wird. Dieses muss ein ernstliches Verlangen auf Erfüllung des Anspruchs gegenüber dem Erben sein. Die Erbschaftssteuer entsteht für den Erwerb des Pflichtteilsanspruchs mit dem Zeitpunkt der Geltendmachung. Hinsichtlich des Abzugs des Pflichtteils als Nachlassverbindlichkeit wirkt dessen Geltendmachung auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer zurück. Das ist der Zeitpunkt des Todes des Erblassers und stellt somit ein rückwirkendes Ereignis im Sinne der Abgabenordnung dar.

Verstirbt der Pflichtteilsverpflichtete, also in diesem Fall die Mutter, bevor der Pflichtteilsanspruch durch Erfüllung oder aus anderen Gründen erloschen ist, geht die Verbindlichkeit zivilrechtlich auf dessen Erben über, ohne dass es auf die vorherige Geltendmachung des Anspruchs ankommt. Beerbt der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteilsverpflichteten nicht, so kann er seinen Pflichtteil auch gegenüber dessen Erben geltend machen.

Geschieht dies vor der Verjährung, so gilt der Pflichtteilsanspruch als Erwerb des Pflichtteilsberechtigten von Todes wegen.

Dies soll nach dem BFH auch dann gelten, wenn der ursprünglich Verpflichtete nicht damit rechnen musste, den Pflichtteilsanspruch zu Lebzeiten erfüllen zu müssen und deshalb durch diesen nicht wirtschaftlich belastet war. Der der Klägerin wegen der Enterbung durch den Vater zustehende Pflichtteilsanspruch ist als Nachlassverbindlichkeit bei der Festsetzung der Erbschaftssteuer für den Erwerb der Klägerin als Erbin der Mutter abzuziehen. Das gilt unabhängig davon, ob ihn die Klägerin bereits gegenüber ihrer Mutter geltend gemacht hatte und ob die Mutter damit rechnen musste, den Anspruch zu Lebzeiten erfüllen zu müssen. In diesem Fall hatte die Klägerin vor der Verjährung des Pflichtteilsanspruchs gegenüber dem Finanzamt erklärt, sie mache den Pflichtteilsanspruch geltend und damit die Geltendmachung mit für das Steuerrecht verbindlicher Weise fiktiv nachgeholt. Entscheidung des BFH vom 19. Februar 2013 - Aktenzeichen II R 47/11.

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