Der gesetzliche Anspruch auf den Pflichtteil

Jeder Erblasser ist grundsätzlich berechtigt, seinen Nachlass so zu verteilen, wie er es selbst möchte. Davon ausgenommen ist der sogenannte Pflichtteil, auf den nahe Verwandte einen gesetzlichen Anspruch haben.

Zusammenhang zwischen Erbrecht und Pflichtteil

Pflichtteilsberechtigte Angehörige können in Deutschland ihren Anspruch gegenüber der Erbengemeinschaft geltend machen. Die Forderung bezieht sich dabei grundsätzlich auf eine Geldsumme.

Pflichtteilsansprüche beim Erbe

Im Erbrecht definiert der Pflichtteil eine finanzielle Mindestbeteiligung, die auch dann zugesprochen wird, wenn die nahen Angehörigen enterbt werden. Die Pflichtteilsberechtigung ist in § 2303 BGB festgehalten und umfasst ausschließlich die direkten Nachkommen, somit Kinder, Enkel, Ehepartner und Eltern. Die Eltern haben nur dann einen Anspruch, wenn der Erblasser keine Kinder hat. Die Berechtigung der Enkel greift darüber hinaus erst, wenn die Eltern (Kinder des Erblassers) bereits verstorben sind.

Die Pflichtteil-Höhe orientiert sich am gesetzlichen Erbteil und beträgt von diesem die Hälfte. Verlangt ein naher Angehöriger eine Pflichtteil-Auszahlung, so muss zunächst dessen (theoretischer) gesetzlicher Erbteil festgestellt werden. Der Betrag richtet sich nach der Menge der ebenfalls erbberechtigten Angehörigen.

Der Pflichtteilsanspruch besteht gegenüber den Erbberechtigten. Gibt es mehrere Personen, die erbberechtigt sind, so sind sie Gesamtschuldner, die zusammen den Pflichtteilsanspruch erfüllen müssen. Gemäß § 2317 BGB ist die Fälligkeit unmittelbar mit dem Tod des Erblassers gegeben.

Keine Pflichtteilsansprüche

Theoretisch besteht die Möglichkeit, dass ein Pflichtteilsanspruch auch entzogen werden kann, dies ist jedoch real sehr problematisch in der Umsetzung. Die Pflichtteilsentziehung setzt eine entsprechende letztwillige Verfügung des Erblassers voraus, die er nicht nur festlegen, sondern auch detailliert begründen muss. In § 2333 BGB wird einer solchen Entziehung „Strafcharakter“ zugeschrieben. Dies ist beispielsweise gegeben, wenn ein pflichtteilsberechtigter Angehöriger dem Erblasser oder einer ihm nahe stehenden Person nach dem Leben trachtet oder sich den Genannten gegenüber eines Verbrechens schuldig macht. Außerdem ist ein Entzug ohne Beweis des angegebenen Grundes nicht möglich.

Darüber hinaus können Ansprüche auch untergehen, sodass ein eigentlich pflichtteilsberechtigter Angehöriger seinen Anspruch verliert. Dies ist etwa der Fall, wenn ein uneheliches Kind adoptiert wird. Das Gesetz macht zunächst keinen Unterschied zwischen ehelichen und nicht ehelichen Kindern. Bei der Adoption eines unehelichen Kindes gehen jedoch die Pflichtteilsansprüche gegenüber dem biologischen Vater unter, bestehen somit nicht mehr.

Gründe für einen Pflichtteilsverzicht

Wenn nahe Angehörige enterbt wurden, steht es ihnen in jedem Fall frei, ob sie ihren im Erbrecht festgehaltenen Pflichtteilsanspruch gegenüber den Erbberechtigten geltend machen oder darauf verzichten. Sollten Sie verzichten wollen, müssen sie dies weder mitteilen, noch schriftlich festhalten. Sie müssen im Prinzip gar nichts tun.

Einer der mit Abstand häufigsten Gründe für einen Pflichtteilsverzicht ist das Berliner Testament, auch bekannt als Ehegatten-Testament. In dieser speziellen Form der Nachlassregelung, die ausschließlich unter Eheleuten angewendet werden kann, wird ein Pflichtteilsverzicht der Nachkommen vorausgesetzt. Die Ehegatten setzen sich gegenseitig als Alleinerben ein. Im Fall des Todes eines Ehepartners erbt der Partner dessen gesamtes Vermögen. Erbberechtigte Personen erhalten zunächst nichts und sind auch nicht pflichtteilsberechtigt. Allerdings werden sie nach dem Tod des zweiten Elternteils zu Schlusserben.

Abfindung bei Pflichtteilsverzicht

Anspruchsberechtigte Angehörige haben die Möglichkeit, bereits zu Lebzeiten des Erblassers einen Pflichtteilsverzicht vorzunehmen und sich stattdessen eine Entschädigung ausbezahlen zu lassen. Dies kann für alle Beteiligten von Vorteil sein. Der Erblasser hat nach der Abfindungszahlung die Gelegenheit, seinen Nachlass wunschgemäß zu verteilen. Er stellt damit sicher, dass die Erben nach seinem Tod ohne finanzielle Belastung in Form von Pflichtteilszahlungen die volle Erbschaft erhalten.

Für den Pflichtteilsberechtigten besteht der Vorteil in einer sofortigen Verfügung über das Geld und in einem Vermeiden späterer Auseinandersetzungen mit den Erben. Die Vereinbarung über den Verzicht und die zu zahlende Abfindung wird notariell festgehalten.

Prüfung der Wirksamkeit des Erbvertrags

Bevor pflichtteilsberechtigte Personen ihren Anspruch bei den Nachkommen beziehungsweise der zuständigen Erbengemeinschaft geltend machen, sollten sie zunächst prüfen, ob die zugrunde liegende Enterbung überhaupt rechtsgültig ist. Häufig sind bestehende Erbverträge sowie Testamente in dieser Hinsicht nicht wirksam, beispielsweise weil sie in wesentlichen inhaltlichen Aspekten nicht geltendem Recht entsprechen. Nicht minder häufig besteht beim Erblasser eine mangelnde Testierfähigkeit, die den Inhalt seines letzten Willens anfechtbar und eine Überprüfung erforderlich macht. Auch können Inhalte oder Formulierungen irrtümlich verfasst worden sein. In Einzelfällen führen auch gezielte Drohungen dazu, dass ein Testament nicht dem tatsächlichen Willen eines Erblassers entspricht. In den genannten Fällen ist eine juristische Prüfung sinnvoll, bevor es zu einer Pflichtteilsbeantragung kommt.

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