Honorarbescheide

Das Bundessozialgericht bestätigt die Rechtswidrigkeit der Honorarbescheide im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Hessen ab dem zweiten Quartal 2005.

In der mündlichen Verhandlung am 18. August 2010 bestätigte das Bundessozialgericht (BSG) die Auffassung der Vorinstanzen, dass der Honorarverteilungsvertrag (HVV) der KV Hessen in der ab dem 1. April 2005 geltenden Fassung in zwei Punkten rechtswidrig ist.

Zum Einen sind die Honorarbescheide rechtswidrig, da gesondert zu vergütende Leistungen unzulässig in das Regelleistungsvolumen (RLV) einbezogen wurden. Zum Anderen ist die Ausgleichsregelung in Ziffer 7.5 HVV rechtswidrig, soweit diese Honorarminderungen vorsah.

Der Bewertungsausschuss hat mit Beschlusses vom 29. Oktober 2004 bestimmt, dass manche Leistungen und Leistungsarten nicht dem Regelleistungsvolumen unterliegen.

Dennoch hat die KV Hessen zu Unrecht und entgegen dieses Beschlusses unter anderem folgende Leistungen innerhalb des RLV vergütet:

  • Besondere Inanspruchnahme;
  • Leistungen im organisierten Notfalldienst und im Notfall;
  • Aufsuchen eines Kranken durch Anästhesiologen;
  • Dialyseleistungen.

Das BSG führt in diesem Zusammenhang aus, dass auch die KV Hessen an die Vorgaben des Bewertungsausschusses gebunden ist und das auch keine Ermächtigung für eine abweichende Regelung besteht. Im Hinblick auf die Neuberechnung der Honorarbescheide regte bereits das Sozialgericht Marburg in der ersten Instanz an, dass die fehlerhaft in das RLV einbezogenen Leistungen mit einem neu zu berechnenden Punktwert zu vergüten sind.

Dieser Punktwert wird aller Voraussicht nach höher sein als der bisher im Regelleistungsvolumen zum Ansatz gebrachte Punktwert. Im Ergebnis können Ärzte, die sich auf diese Argumentation berufen, rückwirkend mit einem höheren Honorar rechnen. Voraussetzung hierfür ist aber, dass die jeweiligen Honorarbescheide noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sind.

Nach der in § 7 Ziffer 7.5 HVV normierten „+/- 5%-Regelung“ erfolgte ein Vergleich des Fallwertes.

Dazu wurde das aktuelle Abrechnungsquartal mit dem Fallwert des entsprechenden Quartals des Jahres 2004 verglichen. Zeigte der Vergleich ein Fallwertminderung oder -erhöhung von jeweils mehr als fünf Prozent, erfolgte eine Begrenzung auf den maximalen Veränderungsrahmen von fünf Prozent. Ergab sich, dass der Fallwert eines Arztes um mehr als fünf Prozent gestiegen war, bekam er nicht diesen ausgezahlt, sondern nur den um maximal fünf Prozent höheren Fallwert. Letztendlich stellte diese Vorgehensweise eine Honorarkürzung dar.

Nach den Ausführungen des BSG ist diese Regelung jedenfalls insoweit rechtswidrig, als sie Honorarminderungen vorsah. Die Bundesrichter führen hierzu aus, dass durch die Neugestaltung des EBM und dem System der Vergütung nach RLV für die Vertragsärzte faktisch praxisindividuelle Budgets anstelle der RLV zur Anwendung kommen können. Das ist aber nicht ohne normative Grundlage im Bundesrecht möglich.

Zur Rechtfertigung wurde angeführt, dass die Finanzmittel für die Stützung derjenigen Praxen, die in Folge der Neuregelung erhebliche Honorareinbußen erleiden, von denen ausgeglichen werden sollten, die von der Neuregelung besonders profitieren. Diese Erwägungen reichen nach Ansicht des BSG aber nicht aus.

Eine Art Schicksalsgemeinschaft der von den Neuregelungen besonders begünstigten und besonders belasteten Praxen besteht nicht.

Eine Rechtfertigung ergibt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt einer Anfangs- und Erprobungsregelung. Mit dieser Argumentation stellt sich auch das BSG sinngemäß auf den Standpunkt, dass die Praxen, die höhere Fallwerte als in der Vergangenheit erzielen, nicht zur Finanzierung eines maroden Systems herangezogen werden können.

Betroffene Ärzte im Bereich der KV Hessen können jedenfalls für Honorarbescheide ab dem zweiten Quartal 2005 mit einer Nachzahlung rechnen. Dies gilt allerdings nur für solche Bescheide, die nicht bereits rechtskräftig geworden sind. Auch an diesem Beispiel zeigt sich, im Zweifel ist es sinnvoll, Widerspruch gegen einen Honorarbescheid einzulegen, wenn Streitigkeiten um die Rechtmäßigkeit im Raum stehen. Einigt man sich mit der KV gleichzeitig darauf, das Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Musterverfahrens ruhend zu stellen, hält man sich die Chance offen, eine Nachzahlung zu erlangen, wenn die Gerichte die Rechtswidrigkeit später bestätigen.

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RA Rainer Kuhlen

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