Verkehrsvideo
Das Verkehrsvideo einer Verkehrsüberwachung darf nicht als Beweismittel verwendet werden.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in einer Aufsehen erregenden Entscheidung festgestellt, dass die durch eine Verkehrsüberwachung erfolgte Bildaufzeichnung im Rahmen eines Videofilmes gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verstößt. Zugrunde liegt eine Entscheidung des Amtsgerichts Güstrow. Im Landkreis Güstrow wurde mit einem Verkehrsvideo eine Geschwindigkeitsmessung vorgenommen und festgestellt, dass ein Autofahrer die Geschwindigkeit um 29 km/h überschritten hatte. Dies wurde mit einem Bußgeldbescheid in Höhe von 50 Euro und drei Punkten in der Flensburger Verkehrssünderkartei geahndet. Gegen diesen Bußgeldbescheid legte der Fahrer Beschwerde ein. Im Rahmen der Verhandlung vor dem Amtsgericht begründete er seinen Einspruch unter anderem damit, dass die Videoüberwachung ein Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht darstellt.
Auch in der nachfolgenden Rechtsbeschwerde an das Oberlandesgericht blieb der Fahrer bei dieser Begründung.
Das Amtsgericht als auch das Oberlandesgericht beriefen sich lediglich auf den Erlass des Landes Mecklenburg-Vorpommern, der ein derartiges Verkehrsvideo zuließ. Das Bundesverfassungsgericht führt nunmehr aus, dass es nicht vertretbar sei, den Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht lediglich auf den Erlass eines Ministeriums zu stützen. Die Bundesrichter bezeichneten eine solche Vorgehensweise durch die Gerichte sogar als willkürlich.
Es liegt insbesondere ein Eingriff vor, weil die Daten aus dem Verkehrsvideo nicht ungezielt und allein technisch bedingt zunächst miterfasst und dann aber ohne weiteren Erkenntnisgewinn anonym und spurlos wieder gelöscht werden. Bei der Verfolgung von Verkehrsteilnehmern mit einem Verkehrsvideo ist das genaue Gegenteil der Fall. Es werden Videoaufnahmen gefertigt, um das Verkehrsvideo dann als Beweismittel gegen die Autofahrer zu benutzen. Ein solches Beweismittel kann dazu führen, dass aus einem Beweiserhebungsverbot - das flächendeckende und verdachtslose Aufnehmen von Autofahrern zum Zwecke der Verkehrskontrolle - ein Beweisverwertungsverbot folgt.
Das heißt, dass dieses Verkehrsvideo nicht als Beweismittel verwertet werden kann.
Daher hat das BVerfG das Bußgeldverfahren zur erneuten Entscheidung zurück verwiesen. Diese Entscheidung bedeutet, dass letztendlich jeder Fahrer, der durch die Behörden im Zusammenhang mit einem Verkehrsvideo sanktioniert wird, prüfen lassen sollte, durch welches Gerät und auf welcher Rechtsgrundlage das Verfahren durchgeführt wurde. Gegebenenfalls kann er dann aufgrund dieser Entscheidung entsprechende Rechtsmittel ergreifen.
Die neuen Meßsysteme für ein Verkehrsvideo stellen allerdings schon auf diese Rechtsprechung ab. Es gibt mittlerweile Meßsysteme welche eine Vorselektion durch einen Videoanalyseprozeß unterliegen. Der Verkehr wird innerhalb einer Strecke von 250 Meter durch eine Kamera beobachtet die kein Verkehrsvideo anfertigt. Als „elektronisches Auge“ registriert diese Kamera anhand einer Weg-Zeit-Berechnung nur eventuelle Verstöße gegen die Geschwindigkeit oder Abstandswerte der einzelnen Fahrzeuge.
Erst wenn das elektronische Auge einen Verdachtsfall feststellt löst es automatisch eine Videoaufzeichnung durch eine so genannte Tat-und-Ident-Kamera aus.
Diese befindet sich hinter der Selektionskamera, zum Beispiel an einer Schilderbrücke. Das so entstehende Verkehrsvideo wird dann auf einem Datenträger gespeichert und ausgewertet. Sollte sich der Verdacht auf einen Verkehrsverstoß nicht bestätigen wird es gelöscht. Diese Art der Aufzeichnung ist ebenfalls strittig, da bei hohem Verkehrsaufkommen so viele Verdachtsfälle registriert werden, dass es doch wieder zu einem Verkehrsvideo kommen kann.Das Oberlandesgericht Thüringen ist aber der Auffassung, dass eine wegen eines ersten Verdachtsfalls noch nicht beendete Aufzeichnung allein wegen eines konkret gegen einen / mehrere nachfolgende Fahrer gerichteten Verdachts fortgesetzt werden kann. Diese Auffassung wird sicherlich umstritten bleiben.
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