Bewertungsabschlag bei der Erbschaftsteuer für zu Wohnzwecken vermietete Immobilien

Nach § 13d des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) sind zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke unter bestimmten Voraussetzungen nur mit 90 % des gemeinen Werts (Verkehrswert) anzusetzen, sofern sie nicht erbschaftsteuerlich als Betriebsvermögen begünstigt sind. Diese Steuerbefreiung ist auch auf Familienstiftungen und Familienvereine anwendbar.

Durch den zehnprozentigen Abschlag von der Bemessungsgrundlage soll bei der Übertragung des Vermögens an die nächste Generation vermieden werden, dass private Eigentümer gezwungen sind, Notverkäufe vorzunehmen. Zudem soll das bestehende Ungleichgewicht zwischen institutionellen und privaten Grundbesitzern verringert werden. Die Steuerbefreiung kann sowohl bei Schenkungen als auch bei Erbschaften beansprucht werden. Die persönliche Steuerklasse spielt dabei keine Rolle.

Grundstücke sind begünstigt, wenn sie vier Voraussetzungen erfüllen. Sie müssen insbesondere bebaut und zum Zeitpunkt der Schenkung bzw. des Erbfalls zu Wohnzwecken vermietet worden sein. Zudem müssen sie im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) belegen sein. Zu guter Letzt darf das Grundstück nicht zum begünstigten Betriebsvermögen oder begünstigten Vermögen eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft gehören. Eine doppelte Begünstigung soll so vermieden werden. Der Wert des Grundstücks ist unerheblich.

Fraglich ist, ob der Bewertungsabschlag auch gegenüber Drittstaaten (z. B. Schweiz) anzuwenden ist. Mit Blick auf die europarechtliche Kapitalverkehrsfreiheit hat dies das Finanzgericht (FG) Köln kürzlich so gesehen und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vorgelegt, ob die Regelung bei Immobilien in Drittstaaten zu einer europarechtswidrigen Diskriminierung führt. Das letzte Wort haben die Luxemburger Richter unter dem Az. C-670/21. Vergleichbare Schenkungs- und Erbschaftsfälle mit vermietetem Grundbesitz im Nicht-EU/EWR-Ausland sollten mit Hinweis auf das anhängige EuGH-Verfahren offengehalten werden.

Tipp: Die Steuerbefreiung kann auch in Anspruch genommen werden für Garagen, Nebenräume und Nebengebäude, die sich auf dem Grundstück befinden und mit den vermieteten Wohnungen gemeinsam genutzt werden.

Bei dem Erwerb eines mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstücks kommt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) der Bewertungsabschlag nicht in Betracht.

Gehören zum Vermögen einer GmbH oder einer anderen Kapitalgesellschaft, deren Anteile erworben werden, vermietete Wohnimmobilien, ist die Anwendung des Bewertungsabschlags stets ausgeschlossen, weil Gegenstand des Erwerbs der Anteil an der Kapitalgesellschaft ist und nicht die von der Kapitalgesellschaft zu Wohnzwecken vermieteten Grundstücke oder Grundstücksteile.

Beim Erwerb der Anteile an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft werden hingegen die Wirtschaftsgüter der Personengesellschaft dem Erwerber als Gesellschafter anteilig zugerechnet. Hier können die Gesellschafter also von der Steuerbefreiung profitieren.

Immobilie muss vermietet worden sein

Die Immobilie muss vom Schenker bzw. Erblasser zu Wohnzwecken vermietet worden sein. Sie darf also vom Schenker bzw. Erblasser nicht selbst genutzt worden sein. Maßgebend sind dabei ausschließlich die Verhältnisse zum Besteuerungszeitpunkt. Eine Verpflichtung zur weiteren Vermietung zu Wohnzwecken durch den Erwerber besteht nicht. Es ist somit unschädlich, falls die Immobilie nach dem Besteuerungszeitpunkt z. B. gewerblich vermietet wird. Gleiches gilt, wenn eine Eigennutzung durch den Erwerber erfolgt. Der Bewertungsabschlag ist sogar dann zu gewähren, sofern der bisherige Mieter die Immobilie vom Vermieter geschenkt bekommt oder er diese erbt.

Tipp: Der Erwerber muss die Immobilie nach der Schenkung bzw. Erbschaft nicht behalten. Es gibt keine sog. Behaltensverpflichtung. Die Steuerbefreiung fällt also nicht nachträglich weg, falls der Erwerber den begünstigten Grundbesitz verkauft.

Vermietet ist nach den Vorgaben der Finanzverwaltung in den Erbschaftsteuer-Richtlinien (ErbStR) ein Grundstück, wenn für die Nutzungsüberlassung ein Entgelt geschuldet wird. Auf die Höhe des Entgelts kommt es dabei nicht an. Die unentgeltliche Überlassung ist jedoch nicht begünstigt. Entscheidend ist, dass überhaupt ein Entgelt vereinbart worden ist.

Tipp: Eine sehr niedrige Miete ist nicht zu empfehlen. Das Finanzamt könnte dann einen Gestaltungsmissbrauch annehmen. Außerdem können sich im Rahmen der Einkommensteuer weitere Probleme ergeben.

Auf die zivilrechtliche Wirksamkeit des Mietverhältnisses kommt es regelmäßig nicht an. Es ist daher unerheblich, ob der Mietvertrag wirksam zustande gekommen ist.

Tipp: Begünstigt sind auch Immobilien, die an Angehörige vermietet sind. Ob die Verträge dabei dem sog. Dritt- oder Fremdvergleich standhalten, ist unerheblich, Es kommt nicht darauf an, ob sie zivilrechtlich wirksam geschlossen sind, tatsächlich durchgeführt werden und die Gestaltung und Durchführung dem mit fremden Dritten Üblichen entspricht.

Die Vermietung muss dauerhaft zu Wohnzwecken erfolgen. Eine Vermietung zu freiberuflichen oder gewerblichen Zwecken ist nicht begünstigt. Kurzfristige Vermietungen, z. B. von Ferienwohnungen, reichen nicht aus.

Tipp: Das bebaute Grundstück muss als Wohnung dienen können. Neben einer Mindestgröße von 23 qm muss die Wohnung einen selbständigen Zugang sowie die zur Führung eines selbständigen Haushalts notwendigen Nebenräume wie Küche, Bad oder Dusche und Toilette haben.

Der BFH hat zugunsten der Steuerzahler entschieden, dass es genügt, wenn eine Immobilie zwar im Zeitpunkt der Schenkung bzw. des Erbfalls nicht vermietet war, aber zur Vermietung bestimmt war. Das ist (z. B. bei einem Leerstand wegen eines Mieterwechsels oder wegen einer Modernisierung) zu bejahen, wenn eine konkrete Vermietungsabsicht des Erblassers bestanden hat und mit deren Umsetzung begonnen worden ist. Erforderlich ist, dass die Vermietungsabsicht des Erblassers und der Beginn deren Umsetzung anhand objektiv nachprüfbarer Tatsachen erkennbar geworden sind.

Beim unentgeltlichen Erwerb eines nicht bezugsfertigen Gebäudes kommt der Bewertungsabschlag nicht in Betracht. Als bezugsfertig ist eine Immobilie anzusehen, sobald es den künftigen Bewohnern zugemutet werden kann, das Gebäude zu benutzen. Alle wesentlichen Bauarbeiten müssen abgeschlossen sein. Bei einer Errichtung in Bauabschnitten ist der fertiggestellte Teil bereits als benutzbares Gebäude anzusehen.

Tipp: Geringfügige Restarbeiten, wie z. B. Maler- und Tapezierarbeiten und das Verlegen des endgültigen Bodenbelags (z. B. Parkett oder Teppich), schließen nach den ErbStR die Bezugsfertigkeit nicht aus.

Eine Besonderheit gilt, wenn sich in einem Gebäude neben zu Wohnzwecken vermieteten Grundstücksteilen andere Teile befinden, die z. B. zu eigenen Wohnzwecken oder zu gewerblichen, freiberuflichen oder zu öffentlichen Zwecken genutzt werden. Diese sind nicht begünstigt. Der Bewertungsabschlag ist nach den tatsächlichen Nutzungsverhältnissen zum Besteuerungszeitpunkt nur auf den Teil des Grundbesitzwerts zu gewähren, der auf den zu Wohnzwecken vermieteten Teil des Gebäudes entfällt.

Tipp: Die Aufteilung erfolgt nach dem Verhältnis der zu Wohnzwecken vermieteten Wohnfläche des Gebäudes zur gesamten Wohn- bzw. Nutzfläche. Garagen, Nebenräume und Nebengebäude sind hierbei nicht einzubeziehen.

Das Lagefinanzamt hat die gesamte Wohn- bzw. Nutzfläche des Grundstücks und die zu Wohnzwecken vermietete Fläche zu ermitteln und bei der Feststellung des Grundbesitzwerts nachrichtlich mitzuteilen.

Tipp: Die Nutzung der vermieteten Wohnung auch zu anderen als Wohnzwecken ist unschädlich, sofern sie von untergeordneter Bedeutung ist, z. B. durch Nutzung eines Arbeitszimmers. Dies gilt auch für eine gewerbliche oder freiberufliche Mitbenutzung einer Wohnung, wenn die Wohnnutzung überwiegt. Es gilt dabei das ‘Alles-oder-nichts‘-Prinzip.

Zu beachten ist, dass der Erwerber den verminderten Wertansatz nicht in Anspruch nehmen kann, soweit er verpflichtet ist, das begünstigte Vermögen auf Grund einer letztwilligen Verfügung des Erblassers oder einer rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers oder Schenkers auf einen Dritten zu übertragen (sog. Weitergabeverpflichtung). Letztwillige Verfügung ist das Testament, rechtsgeschäftliche Verfügung ist z. B. der Erbvertrag des Erblassers oder der Schenkungsvertrag.

Sind Miterben auf Grund einer Teilungsanordnung des Erblassers verpflichtet, das begünstigte Vermögen auf einen Miterben zu übertragen, können die übertragenden Miterben die Befreiung ebebfalls nicht in Anspruch nehmen. Das gilt unabhängig davon, wann die Auseinandersetzungsvereinbarung geschlossen wird.

Schulden und Lasten, die mit den befreiten Grundstücken oder Grundstücksteilen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, können entsprechend der zehnprozentigen Steuerbefreiung nur in Höhe von 90 %. abgezogen werden. Das ergibt sich aus § 10 Abs. 6 ErbStG.

Tipp: Gehört zum Erwerb begünstigtes Vermögen im Sinne des § 13d ErbStG, ist dem Erwerber gem. § 28 Abs. 3 Satz 1 ErbStG die verbleibende Erbschaftsteuer auf Antrag bis zu zehn Jahren zu stunden, soweit er die Steuer nur durch Veräußerung dieses Vermögens aufbringen kann. Dies gilt sowohl für Erwerbe von Todes wegen als auch für Schenkungen unter Lebenden. Bei Erwerben von Todes wegen erfolgt die Stundung zinslos. Bei Schenkungen ist die Stundung zinspflichtig.

Ein Anspruch auf Stundung besteht allerdings nur, wenn der Erwerber die Steuer für den Erwerb nicht dem aus erworbenem weiterem Vermögen oder aus seinem eigenen Vermögen aufbringen kann. Dazu muss der Erwerber auch die Möglichkeit der Kreditaufnahme ausschöpfen.

Tipp: Das FG Münster hat jüngst entschieden, dass der Erwerber nicht darauf verwiesen werden kann, sich außerhalb der üblichen Bedingungen des Kapitalmarkts (z. B. Darlehen von Angehörigen) zu refinanzieren. Er muss nicht Geldbeschaffungsmöglichkeiten jedweder Art in Anspruch nehmen.

Nach einem weiteren steuerzahlerfreundlichen Urteil des FG Münster kommt eine Stundung sogar dann in Betracht, wenn von vornherein der Verkauf der Immobilie zur Begleichung der Erbschaftsteuer beabsichtigt ist. Nach dem Gesetzeszweck solle nicht nur eine Veräußerung verhindert, sondern auch eine geordnete Verwertung der Immobilie ohne Zeitdruck ermöglicht werden.

Über den Autor

Brabanter Straße 53
50672 Köln


Das könnte Sie auch interessieren:

Über den Autor

Brabanter Straße 53
50672 Köln

Sofort-Beratersuche


Diese Funktion nutzt Google Dienste, um Entfernungen zu berechnen. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

AdvoGarant Artikelsuche